Paleo- bzw. Steinzeitdiät: Genial oder totaler Quatsch? (2)
Wie versprochen, folgt jetzt der 2. Teil zum aktuellen Blogbeitrag zur Paleo- bzw. Steinzeitdiät:
Wie funktioniert die Paleo-Ernährung im Detail? Was darf man essen, was nicht?
Erlaubt sind:
Gemüse:
Gemüse sollte bei der Paleodiät an erster Stelle stehen. Es liefert Ballaststoffe und ist Quelle von Vitaminen und pflanzlichen Sekundärstoffen.
Fleisch:
Fleisch steht gleich hinter dem Gemüse an zweiter Stelle. Es liefert Proteine, Fette und Vitamine. Dabei erlaubt Paleo ausschließlich Fleisch von weidegefütterten und freilaufenden Tieren. Fleisch aus dem „normalen“ Supermarkt ist hingegen nicht erlaubt.
Öle & Fette:
Fette erwünscht, solange es sich um „gute“ Fette handelt, wie kaltgepresstes Oliven- oder Kokosöl.
Fisch & Meeresfrüchte:
Meerestiere dienen der Versorgung mit Eiweiß und Omega-3 Fettsäuren. Gegessen sollte nur Ware aus Wildfang oder Bio-Aquakulturen.
Eier:
Eier (von freilaufenden Tieren) bieten Proteine und Vitamine und sind fester Bestandteil der Paleo-Ernährung.
Obst:
Obst dient als Lieferant für Vitamine und Ballaststoffe. Es soll Obst mit geringem Zuckergehalt gegessen werden, also beispielsweise Beeren bevorzugen und Bananen meiden.
Gewürze & Kräuter:
Gewürze und Kräuter sind erlaubt, solange diese frei von Konservierungsstoffen sind.
Nüsse & Samen:
Auch Nüsse und Samen enthalten viel Eiweiße und Ballaststoffe.
Honig:
Honig ist zum süßen erlaubt, denn diesen gab es ja schon in der Steinzeit.
Explizit nicht erlaubt sind (neben den schon oben genannten):
Getreideprodukte:
Somit alle Produkte, die Weizen, Roggen, Dinkel, Hirse, Hafer, Gerste, usw. enthalten, somit also vor allem Brot und Pasta. Auch die aktuell als Superfood gehypten Sorten wie Quinoa scheiden komplett aus. Der Grund: Die oben genannten Lebensmittel enthalten Gluten, Lektine und Phytinsäure, die allesamt schlecht für die Gesundheit seien.
Gluten: Bestandteile des Glutens können bei Menschen zur Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) führen, einer entzündlichen Erkrankung der Darmschleimhaut mit ernst zu nehmenden gesundheitlichen Folgen. Allerdings tritt eine solche Glutenunverträglichkeit weltweit bei weniger als einem Prozent der Bevölkerung auf.
Lektine: Lektine sind Proteine, die in Getreide, Gemüse, Hülsenfrüchten, Erdnüssen, Soja und Reis zu finden sind. Einige Lektine können in rohem Zustand giftig für den Menschen sein und können nur gegart konsumiert werden.
Phytinsäure: Diese dient in Pflanzen wie z. B. in Hülsenfrüchten und Getreide als Speicher für Phosphat und Kationen. Aufgrund ihrer Eigenschaften kann sie die Aufnahme des Menschen von Mineralstoffen wie Calcium, Magnesium, Eisen und Zink so stören oder sogar verhindern.
Über diese nicht so tollen Bestandteile des Getreides hinaus, hat dieses sehr viele Kohlenhydrate, die zumindest Abnehmwillige sowieso reduzieren sollten.
Hülsenfrüchte:
Wie oben bereits erwähnt, enthalten auch diese viele Lektine sowie viel Phytinsäure.
Milchprodukte:
Neben dem Milchzucker enthalten Milchprodukte Wachstumshormone (bestimmt für das Kalb) und können zu Unverträglichkeiten führen.
Industrielle Lebensmittel und künstliche Zusatzstoffe:
Alle Lebensmittel, die Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe, usw. enthalten sollten gemieden werden. Das gilt auch für industriell verarbeitetes Fleisch (Wurst, Burger, etc.) und raffinierte Öle und Fette.
Raffinierter Zucker & Süßstoffe:
Der Einfluss von Zucker und künstlichen Süßstoffen auf den Insulinspiegel sind allgemein bekannt. Auch bei Paleo heißt es: Finger weg! Das gilt auch für Süßigkeiten und alle zuckerhaltigen Getränke…
Ist die Paleo-Diät gesund?
In der Forschung gehen die Meinungen über die gesundheitlichen Auswirkungen der Steinzeitdiät auseinander. Aufgrund fehlender Langzeitstudien, gibt es keine Belege, wie sich eine Ernährung streng nach dem Paleo-Prinzip langfristig auswirkt.
Klar ist jedoch: Das Weglassen von Zucker und stark verarbeiten Lebensmitteln wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Mit der Vermeidung von Hülsenfrüchten, Milch und Getreideprodukten hingegen, verzichtet die Paleo-Diät auf wichtige Quellen für Proteine, Calcium und Vitamine. Entscheidet man sich für diese Art der Ernährung, dann muss also unbedingt darauf geachtet werden, diese Nährstoffe in ausreichendem Maße durch die erlaubten Lebensmittel zu erlangen.
Das kleinste Problem sollte es dabei bei den Proteinen geben, da diese durch Fleisch, Fisch und Eier reichlich zugeführt werden. Unsere Vorfahren nutzten übrigens noch eine andere Quelle für Proteine: Insekten, Larven und Würmer. Diese lassen sich (im westlichen Kulturkreis) natürlich schlecht „verkaufen“ und werden daher von Paleo außen vor gelassen… 😉
Beim Calcium wird es schon deutlich schwerer, dieses in ausreichender Menge ohne Milchprodukte zu sich zu nehmen. Brokkoli, Grünkohl, sämtliche Kopfkohlarten und Chinakohl sowie calciumreiche Mineralwässer sind als wichtige Quellen zu nennen.
Wie immer gilt: Gesund essen heißt ausgewogen essen. Wer die Paleo-Diät als einen Freischein für sehr viel Fleisch essen deutet, der ernährt sich auf Dauer nicht gesund. Denn: Auch wenn der Steinzeitmensch sehr viel Fleisch gegessen haben sollte, dann ist das nicht automtisch gleichbedeutend damit, dass er durch diese Kost ein langes Leben gefördert hat.Warum das so ist, erläutert Bas Kast in seinem aktuellen Bestseller „Der Ernährungskompass“ sehr anschaulich: Das primäre Ziel der Evolution ist nicht ein gesundes, langes Leben, sondern vielmehr die Weitergabe unserer Gene. Und das ist bei den meisten von uns, wie Bast Kast mit einem Schmunzeln sagt, bereits vor unserem 80. Lebensjahr erfolgt… 😉
Ist eine strenge Paleo-Diät ethisch vertretbar?
In den letzten 50 Jahren hat sich die globale Fleischproduktion von 78 auf 308 Millionen Tonnen pro Jahr gut vervierfacht. Es wird davon ausgegangen, dass sich dieser Trend so fortsetzt, da sich die Schwellenländer (insbesondere aus Asien), an den Fleischkonsum Nordamerikas und Europas annähern werden. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) prognostiziert eine Steigerung der Fleisch- produktion auf 455 Millionen Tonnen bis 2050.
Da die Steinzeiternährung sehr stark auf Fleischkonsum ausgelegt ist, stellt sich die Frage, wie es mit dem Ressourcenverbrauch für die Fleischproduktion steht?:
Virtueller Wasserverbrauch: Es bedarf durchschnittlich 15.400 Liter, um 1kg Rindfleisch herzustellen. Als Proteinquelle sind Rinder sehr ineffizient, allein den Bedarf an Wasser betreffen. Zum Vergleich. Würde man alleinig auf Hülsenfrüchte für die Proteinaufnahme setzen, würden nur 1/6 der Wassermengen verbraucht werden. Da die Paelo-Vorgaben aber explizit den Verzehr von Fleisch aus freilaufenden und artgerecht ernährten Tiere vorschreiben, ist der oben genannte Durchschnitt zu relativieren. Denn diese Tiere werden primär mit Raufutter ernährt, also mit Gras, Heu, Maissilage, dazu etwas Futtergerste. In der industriellen Tierhaltung wird hingegen vor allem auf große Mengen Soja und Getreide gesetzt, beides wesentlich ressourcenaufwändiger herzustellen.
CO2-Emmissionen: Studien des WWF zeigen, dass „nahezu 70 Prozent der direkten Treibhausgasemissionen unserer Ernährung sind auf tierische Produkte zurückzuführen“ sind.
„Wenn jeder Bundesbürger nur einmal pro Woche auf Fleisch verzichten würde, könnte das zu einer jährlichen Einsparung von rund neun Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen führen. Das entspricht umgerechnet 75 Milliarden PKW-Kilometern“, sagt Tanja Dräger, vom WWF.
Flächenbedarf: Die Fläche für die Viehhaltung konkurriert direkt mit Flächen für die direkte Lebensmittelproduktion. Die Albert-Schweizer-Stiftung schreibt hierzu: „Der Rindfleischverzehr in Deutschland beansprucht mehr als doppelt so viel Fläche wie der hiesige Konsum von Kartoffeln und Weizen zusammen, obwohl deren Verzehrmenge mehr als das Zehnfache von Rindfleisch beträgt. Da die Flächen hierfür nicht in Deutschland zur Verfügung stehen, werden sie im Ausland belegt: Um seine Nachfrage an landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu decken, nutzt Deutschland außerhalb der EU Flächen, die über 40 % der eigenen landwirtschaftlichen Nutzfläche entsprechen.*
Es lässt sich festhalten, dass die Ökobilanz einer Ernährung, die sehr stark auf den Verzehr von Fleisch ausgelegt ist, nicht sehr gut ausfällt. Der Wunsch der Paelo-Vertreter, den Fleischkonsum ausschließlich auf Tiere zu beschränken, die artgerecht und möglichst umweltverträglich gehalten werden, ist lobenswert, aber zu kurzsichtig, wenn man die breite Bevölkerungsmasse betrachtet.
Neben den Umweltressourcen betrifft das insbesondere auch die finanziellen Ressourcen, und in diesem Fall meine ich finanziellen Möglichkeiten jedes Einzelnen von uns:
Für den Konsum von (echtem) Bio-Gemüse muss man bereits tief in den Geldbeutel greifen, Bio-Fleisch hingegen ist für den größten Teil der Bevölkerung – selbst in einem so wohlhabenden Land wie Deutschland – nicht finanzierbar. Die Evolution hin zum Ackerbau kam ja nicht von irgendwoher, sondern resultierte daraus, dass mit steigendem Bevölkerungswachstum günstige Nahrungsmittelquellen erschlossen werden mussten.
Die Paleo-Diät kann in sich geschlossen und für wohlhabend(er)e Menschen sinnvoll sein. Schaut man jedoch über den Tellerrand hinaus, dann zeigt sich schnell, dass das Konzept nicht skalierbar ist.
Ist die Paleo-Diät aufgrund dieser ethischen Fragestellungen verwerflich oder schlecht? Das kann und sollte jeder für sich selbst beantworten. Ich maße es mir auf jeden Fall nicht an, hier ein allgemein gültiges Urteil zu fällen.
Daher möchte ich mich abschließend noch auf zwei Themen konzentrieren, die sich wieder mit dem Thema meines Blogs beschäftigen: Kann man mit der Steinzeitdiät abnehmen und wie lässt sich diese in den Alltag einbauen?
Kann man mit Hilfe der Steinzeitdiät abnehmen?
Die Paleo-Ernährung verbindet den Low-Carb-Trend mit der Clean Eating Ideologie. Hinzu kommt der komplette Verzicht auf Getreide- und Milchprodukte. Wenige Kohlenhydrate, insbesondere die von raffiniertem Zucker, sind natürlich die beste Voraussetzung dafür, dass die Fettpfunde schmelzen. Wer der Paleo-Diät konsequent folgt, wird abnehmen. Der hohe Fleisch- und Gemüsekonsum stellt dabei sicher, dass wir keinen Hunger leiden. Wie viele andere Diäten funktioniert somit auch die Steinzeitdiät.
Ist die Paleodität alltagstauglich?
Viele Diäten funktionieren, aber die wenigsten lassen sich durchhalten. Warum? Weil sie sich nicht einfach in unseren Alltag einbauen lassen. Wie steht’s damit bei der Steinzeitdiät?
Wenn du die Vorgaben der Steinzeiternährung ganz streng einhältst, dann reduzieren sich die zur Verfügung stehenden Lebensmittel drastisch. Das Einkaufen kann nur noch in speziellen Bio-Läden stattfinden, Bio vom normalen Supermarkt ist vielfach nicht mehr ausreichend. Alternativ kannst du natürlich auch von ausgewählten Bauernhöfen direkt einkaufen oder Lebensmittel selbst anbauen. Auch die Gastronomie reduziert sich auf einige wenige Restaurants. Sich von Freunden zum Essen einladen lassen? Fehlanzeige, zumindest dann, wenn du nicht unter Gleichgesinnten bist oder deine Ernährungsform nicht anderen aufzwingen willst.
Mein Fazit daher: Leider nicht Alltagstauglich!
Interessante Quellen
Wenn du Paleo mal ausprobieren möchtest und tolle Rezeptideen suchst, dann empfehle ich dir das Kochbuch von Nico Richter: Paleo, Power For Live. Dieses findest du in jedem Bücherladen oder auch Amazon & Co. Toll gemacht, definitiv empfehlenswert!
Wenn du mehr über das Thema Paleo-Diät erfahren möchtest, dann schau doch mal auf der Webseite von Felix Olschewski vorbei, der die Vor- und Nachteilen dieser Diät spannend wiedergibt.
Wichtig: Nicht jede Diät ist für jeden geeignet. Wenn du einen zu niedrigen oder zu hohen Blutdruck hast, unter einer Stoffwechselerkrankung leidest, Essstörungen wie Anorexie oder Bulimie hast, an Krebs erkrankt bist, untergewichtig bist, dich in der Schwangerschaft oder Stillzeit befindest, noch Kind oder Jugendlicher bist oder aber bereits in einem hohen Lebensalter, an einer aktuellen oder chronischen Krankzeit leidest bzw. von dieser noch geschwächt bist, regelmäßig Medikamente einnimmst, oder dich einfach unsicher fühlst, ob die hier vorgestellte Diät gesund für dich ist, dann solltest du dich in jedem Fall ärztlich beraten lassen, bevor du mit dieser Diät beginnst. Dieser Beitrag kann keine kompetente medizinische Beratung ersetzen.